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Humanismus und DDR


Da dieses Thema sehr umfassend ist, möchte ich hier nur ein paar wenige, herausgepickte Aspekte nennen und dabei vor allem auf einen Vortrag von Dr. habil. Horst Groschopp (Q2) verweisen, um das hier sehr kurz angerissene Bild ansatzweise zu vervollständigen.


War die DDR ein humanistisches Land? So zumindest stand es in ihren Verfassungen und in Gesetzestexten. (Q1) So stand es sonst in keinen anderen Verfassungen oder Gesetzestexten auf der Welt.


aus: "Die Verfassung der
Deutschen Demokratischen Republik"
[vom 7. Oktober 1949]

ARTIKEL 37
(2) Als Mittlerin der Kultur hat die Schule die Aufgabe, die Jugend im Geiste des friedlichen und freundschaftlichen Zusammenlebens der Völker und einer echten Demokratie zu wahrer Humanität zu erziehen. (Q3)


So sehr dies auch nach historisch geprägten Merkmalen des Humanismus klingt, wurde das Humanismus-Verständnis der DDR-Politik mit der 2. Verfassung primär gegen den Kapitalismus und seine Entwertung des Menschen ausgerichtet und in zunehmenden Maß sozialistisch ideologisiert. Womit der politische Dogmatismus sich bspw. gegen den humanistischen Wert der Individualität stellte. (/)



aus: "Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik"
vom 9. April 1968

Art. 18. (1) (…) Die Deutsche Demokratische Republik fördert und schützt die sozialistische Kultur, die dem Frieden, dem Humanismus und der Entwicklung der sozialistischen Menschengemeinschaft dient. Sie bekämpft die imperialistische Unkultur, die der psychologischen Kriegführung und der Herabwürdigung des Menschen dient. Die sozialistische Gesellschaft fördert das kulturvolle Leben der Werktätigen, pflegt alle humanistischen Werte des nationalen Kulturerbes und der Weltkultur und entwickelt die sozialistische Nationalkultur als Sache des ganzen Volkes. (Q4)


Das DDR-Regime entsprach damit weniger den humanistischen Werten, während für die Bevölkerung selbst der Humanismus aber eine gesellschaftliche Leitkultur darstellte. (/)


„Die DDR war durchaus ein humanistisches Land – trotz allem, gemessen an den Zuständen der Welt, mit all den gemachten und noch folgenden Einschränkungen. 'Land' ist nicht nur der Staat DDR, sondern das sind die Menschen in deren Gesellschaft. Wer will behaupten, sie seien – große Teile davon oder sogar eine Mehrheit – nicht humanistisch gewesen? Was waren sie dann? Es ist doch nicht zu übersehen, daß sich das Gros der Bevölkerung in seinem Leben weltlich (säkular) orientierte. Die Menschen achteten in der Regel ihre eigene Individualität wie die von anderen. (…) Rassismus wurde unterdrückt. Wissenschaft besaß einen hohen Stellenwert. (...) Als Weltanschauung war Humanismus vielleicht prägender als bisher angenommen (...)(Q1)


"In den Kirchen (zur Wendezeit), in den sich die Opposition sammelte, wurde weniger christlich, dafür sehr humanistisch argumentiert. Das konnte nur so sein, weil Humanismus in den Diskursen seit Jahrzehnten und in den Schulen überhaupt vorkam und als Wertebegriff, trotz hoher Entwertung, nicht gänzlich verschlissen war." Bei den Gesprächen in den Kirchen zur Wendezeit ging es um die "Kernbegriffe: Selbstbestimmung, Individualität, Solidarität und Toleranz - Das ist Humanismus, darüber wurde da geredet" (Q2)



Q1: https://hpd.de/node/16890/seite/0/1
Q2: http://www.horst-groschopp.de/die-ddr-und-der-humanismus/
Q3: http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr1949.html
Q4: http://www.verfassungen.de/ddr/verf68-i.htm

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