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Geschichte des Humanismus (Schwerpunkt Sachsen)


Um die Mitte des 15. Jhr. erwachte in Europa das Interesse an der Literatur der griechischen Antike.
Insbesondere in Italien - wo schon Dante, Petrarca und Boccaccio den Blick auf´s alte Lateinische lenkten - wurden die Schriftwerke des Altertums in Umlauf gebracht. Jedoch blieb die Beschäftigung damit eher oberflächlich. "Eine tiefere Empfänglichkeit und einen dankbaren Boden fanden jene Studien in dem ernsten Sinne der Holländer und der deutschen."
Rudolf von Lange reformierte die Kathedralschule von Münster und erwarb in Italien eine stattliche Sammlung alter Klassiker, die er anderen bereitwillig öffnete. Ludwig Dringenberg errichte eine Gelehrtenschule in Schlettstadt, aus der bspw. Beatus Rhenanus, Gorge Simler (Lehrer von Melanchthon) und vielleicht auch Wilibald Pirckheimer hervorging. Alexander Hegius zu Deventer unterrichtete den Erasmus. Zurückgezogener und größtenteils ohne Lehranstellung lebte Rudolf von Agricola, der half, die Uni Heidelberg im Sinne des Humanismus zu reorganisieren.




"Alle diese Männer nannte man nämlich Humanisten, weil sie, unbekümmert um die kirchliche Theologie, das menschlich Wahre und Schöne des antiken Lebens zur Geltung brachten und zum Förderungsmittel der Kultur erhoben." Mit den Vertretern der mittelalterlichen Scholastik, welche bisher die Bildungsbereiche dominierten und sich dies auch nicht nehmen lassen wollten, kam unvermeidlich zu Konflikten. Die Scholastiker verachteten die von ihnen als "Grammatisten und Poeten" bezeichneten Humanisten und verspotteten ihre Beschäftigung mit dem Altertum als unwürdige und brodlose Kunst. Mit Anwuchs des Humanismus wurden die Auseinandersetzungen von Seiten der Scholastiker härter. Reuchlin, Erasmus und viele Weitere hatten darunter zu leiden, in Leipzig mussten Celtes, Busch und Rhagius Aesticampianus dem Hass der Theologen nach einander weichen. Die Humanisten kämpften mit Ironie und Satire ("Dunkelmännerbriefe").

In Leipzig hatte zwar Markgraf Friedrich der streitbare 1409 eine Universität gegründet, und schon früher bestanden Schulen zu St. Thomä und St. Nicolai (ähnlich wie auch in Dresden, Annaberg, Zwickau, Meißen und Chemnitz), aber nirgends war hier bis in die Mitte des 15. Jhr. mehr zu erlernen, als ein "barbarisches Mönchslatein unter Anleitung unzweckmäßiger und geschmackloser Lehrbücher", während vom Griechischen noch keine Rede war. Die Mönche, meist Franziskaner, in deren Händen der Sprachunterricht lag, "quälten die Knaben mit Einübung geistloser .. grammatischer Regeln, ohne jemals zu den Klassikern vorzudringen und in den geist des Altertums einzuführen.
Ende des 15. Jhr. war Paul Niavis in Leipzig und später in Chemnitz, dessen Bücher damals weite Verbreitung fanden. Conrad Celtes lehrte in Leipzig neben lateinischer Dichtkunst auch Werke von Ovid und Horaz, die Satiren des Persius und Juvenalis und die Tragödien des Seneca. Unter der zahlreichen, jungen Dichterschaar, die sich unter seiner Leitung in lateinischen Versen übte, war u.a. auch Petrus Aeolicus. Doch die Unfriedlichkeit der Antihumanisten trieb auch Celtes wieder aus der Stadt.
Georg, der Sohn von Herzog Albrecht von Sachsen, regierte ab etwa 1500 und war der lateinischen Schrift mächtig, in der er auch Briefwechsel mit Erasmus und Jacob Sadoletus führte. Georg´s Vetter - Friedrich der Weise -  rief in Wittenberg eine Hochschule ins Leben. Mit Johann Rhagius Aesticampianus kam jemand nach Leipzig, der sich damit rühmen konnte, der erste Interpret der Naturgeschichte des Plinius in Deutschland zu sein. Doch auch sein Wirken wurde stark erschwert, so dass er um 1511 nach Freiburg ging.
"Doch die Samenkörner, die all diese Männer ausgestreut hatten, waren nicht verloren gegangen." der Humanismus hatte in Leipzig bereits feste Wurzeln geschlagen. Jedoch war für das Verständnis des Griechischen noch nicht viel geschehen. Hermann von Busche und Clarius aus Bologna hatten zwar einen geringen Anfang gemacht, ohne damit jedoch viel Anklang zu finden. Ungleich bedeutendere Erfolge hatte auf diesem Gebiet der Engländer Richard Crocus, der durch Interesse an Friedrich dem Weisen (von Wittenberg) nach Leipzig kam und dem hier von Herzog Georg 1514 einen Lehrstuhl der griechischen Sprache übertragen wurde, den er 3 Jahre lang sehr erfolgreich ausführte. Deutschlandweit erwarb er sich einen Ruf als Griechischlehrer.

Peter Schade, genannt Mosellanus, wurde 1493 geboren. In Köln traf er auf Richard Crocus. Caspar Borner, der aus Sachsen stammte, war ein akkademischer Freund des Mosellanus und wollte diesen nach Leipzig bringen. Mosellanus lehnte dies jedoch erst ab. Der aus Leipzig vertriebene Rhagius Aesticampianus, der in Freiburg eine Schule errichtete, wendete sich an Borner mit der Bitte, das er und möglichst viele junge Leute zu ihm an die Freiburger Schule kommen sollten. Dennoch überzeugte Borner den Mosellanus 1513 nach Leipzig zu gehen. Um 1514 gingen beide aber nach Freiburg (Sachsen). Ein Jahr später verließ Mosellanus Freiburg wieder und ging mit Borner zusammen zurück nach Leipzig, während Rhagius nach Wittenberg (zu Luther und Melanchthon) ging. In Leipzig traf Mosellanus erneut auf Crocus, was zu einem regen Wettstreit des Studiums der alten Schriften wurde. Die Werke von Homer, Plato, Plutarch, Demosthenes, Isokrates und Aristophanes wurden erklärt, ebenso wie die lateinischen Klassiker um Cicero, Livius, Quinctilian usw..
Um 1518 veröffentlichte er unter dem Titel "Paedologia" eine Sammlung von Dialogen nach Art der Colloquia des Erasmus, zum Erlernen der lateinischen Umgangssprache. Angeblich empfahlen Luther und Melanchthon die "Paedologia" für den Schulgebrauch. er übersetze viele alte Schriften, darunter auch eine Rede des Isocrates über die Vermeidung des Krieges und Erhaltung des Friedens. Namenhafte Schüler des Mosellanus waren: Joachim Camerarius, Georg Agricola, Philipp Novenianus und viele weitere. Nachdem Richard Crocus Leipzig wieder verlassen hatte,, wurde Mosellanus erneut das Lehramt der griechischen Sprache an der Leipziger Universität übertragen, obwohl die klerikale Partei dagegen Einspruch erhob. Er trat sein Amt mit einer akademischen Rede "über die Erwerbung einer gründlichen Sprachkenntnis" an, welche sich als eine energische Schutzrede des Humanismus herausstellte und wofür er regen Beifall, u.a. von Erasmus bekam. In dieser Rede spricht er sich für umfangreiche Sprachkenntnisse aus, insbesondere auch im Griechischen und Lateinischen, da sonst unzureichende Übersetzungen das Wissen des Altertums nicht verständlich machen. Die darin erklingenden Vorwürfe gegen Aristoteles und die von ihm abhängige Scholastik, die Forderung eines freien Bibelstudiums, sowie Angriffe auf die Unwissenheit der Predigermönche riefen starken Widerspruch unter seinen Gegnern hervor. Ein Hauptgegner Mosellanus war der Theologe Jacob Latomus, welcher den "gefährlichen Einfluss des humanistischen Studiums auf die kirchlich-scholastische Gläubigkeit" aufzeigen wollte. Daraufhin veröffentlichte Erasmus eine Schrift, um die haltlosen Argumente des Latomus gegen die humanistischen Bestrebungen zu widerlegen.

Dem frühen Luther, um 1517, folgten die damaligen Humanisten größtenteils. Erasmus hatte Sympathien für den Reformationskampf, weswegen Mönche ihm nachsagten: "er habe das Ei gelegt, Luther habe es ausgebrütet". Weit offener sprachen sich Ulrich von Hutten und Crotus Rubeanus - die beiden mutmaßlichen Hauptverfasser der "Dunkelmännerbriefe" - für Luther aus. Auch Mosellanus war davon wohl begeistert. Melanchthon und Mosellanus wurden gute Freunde. Ab 1518 näherte sich Mosellanus dann Erasmus, womit er kein Kampfgenosse der reformation wurde, da er - wie Erasmus - den "gelehrten Frieden" zu lieb hatte. Bei der Disputation, welche Eck 1519 mit Carlstadt und Luther hielt, war Mosellanus neutraler Zuhörer. Die Humanisten machten jedoch über diese Disputaion eher satirische Glossen und meinten, dass es sich hauptsächlich nur um die Redefertigkeit zweier Wortfechter handelt. Auch Mosellanus teilte diese Ansicht.

aus: "Petrus Mosellanus: Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus in Sachsen"
von Oswald Gottlob Schmidt (1876) google-books

"Paedologia" von Mosellanus

Neo-Lateinisches Colloquia

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Die ritterliche Dichtung fand erst am Hofe Heinrichs des Erlauchten (1221-1288) statt, wenngleich fahrende Sänger wie Walther von der Vogelheide schon unter seinem Vorgänger Dietrich dem Bedrängten (1197-1221) vorbei gekommen waren. Der Betrieb der Wissenschaften und die literarische Tätigkeit waren einzig mit den Klöstern verbunden. Was an Schulen vorhanden war, schloss sich Klöstern an und verfolgte nur den Zweck, Knaben auf den Eintritt in den geistlichen Stand vorzubereiten. In Sachsen betraf dies den Domstift Meißen. Eine regere Entwicklung des Schulwesens (in Sachsen) kam unter Bischof Dietrich II. von Meißen (um 1205) auf. Danach erfolgte die Gründung des Stift´s zu St. Thomas in Leipzig durch Markgraf Dietrich (der Bedrängte) um 1212, welches er mit reichen Landschenkungen ausstattete und ihr das Patronat über die alte Pfarrkirche zu St. Nicolai gab. Das Bestreben des Markgrafen, die Stadt zu unterwerfen, erregte den Groll des Bürgertums. Dies führte zu eine Fehde, die erst 1216 beigelegt wurde und der Stadt die verlorenen Güter und die Bestätigung ihrer alten Rechte zurück gab. Dennoch brachte Dietrich mit Hilfe Kaiser Friedrich II. die Stadt in seine Hände, ließ ihre Mauern nieder reißen und errichtete drei Zwingburgen um die Stadt. Um 1224, drei Jahre nach dem Tod von Dietrich, wurde eine dieser Burgen (am Grimmaischen Tor) abgerissen und 1229 durch das Dominikanerkloster zu St. Pauli ersetzt. Um 1253 bekamen die Franziskaner die Burg am Ranstädter Tor und machten daraus ein Kloster. Nur die Pleißenburg blieb im Besitz der Landesherren. Leipzig war zu der Zeit von drei Klöstern umgürtet. Von diesen unterhielt wohl nur das Thomasstift von Anfang an eine Schule. Um 1262 erscheint die erste 2scolaris" auf der Ritterstraße. Alsbald wurde da auch Bürgerkinder gegen Schulgeld aufgenommen. Der Hauptzweck bestand darin, die Schüler für den Kirchengesang beim Gottesdienst vorzubereiten, womit der musikalische Unterricht durch den Kantor im Vordergrund stand. Daneben wurde auch das Trivium (Grammatik, Dialektik, Rhetorik) gelehrt. 1409 wurde im Refektorium des Thomasklosters die Universität Leipzig eröffnet.
Die Thomasschule genügte offenbar trotz ihres geringen Umfanges dem Bildungsbedürfnis der Bürgerschaft, während die Einwohnerzahl um 1470 nur etwa 6000, und um 1500 vlt. 9000 betrug. Zudem gab es für geringere Ansprüche (wie Schreiben und Rechnen) Privatschulen ("Winkelschulen"), die der Stadtrat gelegentlich unterstützte. Auch die Juden, die an den Markgrafen Schutzgeld zahlen mussten (wie in Meißen schon um 1320) hatten eine Schule, die zugleich als Synagoge diente und mindestens bis zur Vertreibung vieler Juden aus Leipzig um 1441 Bestand hatte. Mit dem Aufschwung des Leipziger Handels und der Messe kam jedoch der Wunsch auf, eine Stadtschule unter Patronat des Stadtrates zu errichten, zumal es zu Spannungen zwischen dem Rat und dem Thomasstift kam. Doch trotz päpstlichen Privilegs wurde dies nicht wirklich umgesetzt.

Nirgends waren Einrichtungen und Geist der Universität scholastischer als in Leipzig, woran auch die Uni-Reformation von 1496 nichts änderte, was die Humanisten herauf beschwor. Schon 1462 war als einer der ersten deutschen Humanisten Peter Lüder kurzweilig in Leipzig erschienen, kurz darauf, um 1486 kam auch der wanderlustige "Erzhumanist" Konrad Celtes in die Stadt, sowie Paul Niavis, der zwischen 1488-1490 hier vermutlich als Privatlehrer wirkte.

Der erste Humanist, der in Leipzig festen Fuß fasste, indem er von Herzog Georg eine Besoldung empfing, war Hermann von dem Busche um 1503-1507. Nach ihm lehrte Hieronymus Emser 1504-1510, Rhagius Aesticampianus 1507-1511 und um 1512 Joachim Camerarius. Alle jedoch außerhalb der Universität. 1515-1517 bekam der Engländer Richard Crocus eine Festanstellung um das Griechische zu lehren. Sein Nachfolger wurde Petrus Mosellanus. 1520 wurde Mosellanus dann Rektor der Universität. Rektor zu St. Thomas war der bedeutende Humanist Johannes Poliander (Graumann). Um in seiner Schule die humanistische Unterrichtsmethode einzuführen, bat er Mosellanus 1517 die "Paedologia" zu schreiben, die eine Sammlung von 37 kurzen Dialogen, meist zwischen Schülern, ist.

aus: Geschichte des Leipziger Schulwesens - vom Anfang des 13. bis gegen Mitte des 19. Jhr. - von Otto Kaemmel, 1909, google-books

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Humanismus und Scholastik

Scholastik als Sammelbegriff für die mittelalterliche Bildung. Humanisten wie Erasmus von Thomas Morus kritisierten am (scholastischen) Lehrsystems: barbarische Latein der scholastischen Professoren, die enge Auswahl der antiken Klassiker und das verkopfte Studium. Auch beißende Spott des Reformators Martin Luther in seiner "Disputatio contra scholasticam theologiam" (1517)

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Paedologia von Mosellanus
Im Renaissance-Humanismus erlebte die literarische Gattung der Schülergesprächsbücher eine Blütezeit und verfolgte die Absicht, die Schüler zu einem möglichst fehlerfreien, klassischen lateinischen Sprachgebrauch anzuleiten. Besonders ein Autor ragte dabei hervor, der, zu seiner Zeit bekannt und geehrt, heute fast vollständig in Vergessenheit geraten ist: Peter Schade aus Bruttig an der Mosel. Er latinisierte seinen Namen zu Petrus Mosellanus und verfasste 1518 ein lateinisches Schülergesprächsbuch, dem besonders nach seinem Tod vielfach Anerkennung zuteil wurde, die Paedologia. Mosellanus schrieb sie als Lehrbuch für die Schüler der Leipziger Thomasschule, ohne dort als Lehrer zu wirken.
 Durch diese italienischen Einflüsse begann der Humanismus in Deutschland etwa ab 1450 zu wirken. Die Rezeption der Antike erfolgte bei den Humanisten nach den zwei Prinzipien der imitatio, der Nachahmung der Vorbilder, und der aemulatio2, dem Wettstreit mit ihnen.
„Ciceros Synthese von Philosophie und Rhetorik schließlich galt den Humanisten als besonderes Ideal der Kombination von Beredsamkeit und Weisheit.“ (Kristeller I: 25)
Da die Humanisten weder Organisation waren, noch gemeinsame Beschlüsse fassten, waren für die Umgestaltung der Schulen immer deren Träger verantwortlich, sodass sich ihre Veränderungen an den Schulen zwar ähnlich, jedoch nicht unterschiedslos ausnahmen. Gemeinsam war ihnen vor allem der Kampf gegen scholastische Methoden an Universität und Schule. Humanistische Gelehrte zogen durch die Lande, erweiterten gleichzeitig ihr Wissen wie auch das ihrer Schüler, für dessen geistige und moralische Erziehung sie sich verantwortlich fühlten.   Im Humanismus war es den Gelehrten besonders wichtig, ein möglichst gutes „klassisches“ Latein zu beherrschen, um sich vom „barbarischen Mönchslatein“ zu distanzieren.

Der Buchdruck, die so genannte „Schwarze Kunst“, und der Humanismus sind um 1500 eine fruchtbare Verbindung eingegangen, die sich nicht nur durch gegenseitige Abhängigkeit, sondern auch Innovation in den Erzeugnissen auszeichnete. Gerade in Leipzig gelangte v.a. der universitäre Buchdruck seit 1485 zu großer Blüte und stellte durch seine humanistische Begünstigung einen gewissen Sonderfall in Deutschland dar. Dieser wird oftmals auf die Formel gebracht „ohne Drucker keine Humanisten, ohne Humanisten keine Drucker".

Um den Schülern nicht nur auf wissenschaftliche Art die lateinische Sprache näher zu bringen, war die Wahl der Themen von besonderer Bedeutung, um zu ihnen durchzudringen. So ist es ein verbindendes Element der humanistischen Schülergespräche, die Lebenswelt der Schüler und Studenten zu berühren.

Vom Manuale scholarium bis zur Paedologia des Mosellanus oder den Colloquia familiaria des Erasmus verging zwar eine vergleichsweise kurze Zeit, dennoch ist sowohl im sprachlichen, als auch im pädagogischen Duktus eine deutliche Weiterentwicklung feststellbar.

http://www.petrus-mosellanus.de/documenten/Examenarbeit%20Kerstin%20Ziegenbalg.pdf


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Humanistisches Latein (15.-17.Jhr.)

„Ad fontes“ (lat. „[zurück] zu den Anfängen“) lautete der allgemeine Aufruf der Humanisten, mit dem sie das Latein vom Wortschatz des Mittelalters und von der stilistischen Überfrachtung zu reinigen suchten, die in den Jahrhunderten nach dem Fall des Römischen Reiches eingetreten war. Was diesen (neuen) Normen nicht entsprach, wurde als „gotisch“ oder auch als Küchenlatein gebrandmarkt. Die puristische Bewegung nahm doktrinäre Züge an, gegen die sich 1528 Erasmus von Rotterdam in seinem Dialogus Ciceronianus wandte. Die Humanisten versuchten auch, das schriftliche Latein in seiner Orthographie von den mittelalterlichen Einflüssen zu reinigen und beharrten auf der korrekten Schreibung nach dem Vorbild aus der klassischen Zeit. Der Plan der Humanisten zur Erneuerung des Lateins war vor allem in der Erziehung sehr erfolgreich. Schulen unterrichteten nun die Rechtschreibung des Humanismus und regten das Studium der Texte an, die von den Humanisten unter Ausschluss der Literatur des neueren Lateins ausgewählt wurden. Weil dem humanistischen Latein der exakte Wortschatz für den modernen Alltag fehlte, entwickelte sich das Latein, durch diese Änderungen beschleunigt, von einer Alltagssprache zu einem Gegenstand der Gelehrsamkeit. Die Bemühungen der Humanisten machten das Latein von einer klassischen, aber noch nützlichen Sprache zu einer ausgestorbenen Sprache.

Wichtige Autoren des humanistischen Lateins:
Erasmus von Rotterdam, Francesco Petrarca, Dante Alighieri, Rudolf Agricola, Giordano Bruno …


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Rudolf Agricola 1444-1485
war ein frühhumanistischer niederländischer Literat, Gelehrter und Lehrer. Er übte einen großen Einfluss auf den frühen Humanismus in Deutschland aus. Der bekannte Humanist Erasmus von Rotterdam beschreibt in einem Brief an Johannes von Botzheim die große Bedeutung Rudolf Agricolas mit den Worten „Rodolphus Agricola primus omnium aurulam quandam melioris litteraturae nobis invexit ex Italia“. Als Erzieher setzte er sich leidenschaftlich für eine umfassende Bildung nach dem Vorbild der antiken Artes liberales ein. Die Vorgehensweise erläuterte er in seinem Werk „De formando studio“ (Jacob Barbireau gewidmet), welches als die erste pädagogische Abhandlung eines deutschen Humanisten gilt. Er übersetzte zahlreiche griechische Werke ins Lateinische und trat für das Studium der Antike ein. Als einer der ersten Humanisten nördlich der Alpen verkörperte er das Ideal des Universalgelehrten mit umfassenden Interessen über die Literatur und Schriftkultur hinaus mit weitreichender Wirkung seiner Schriften viele Jahrzehnte über seinen Tod hinaus. Im Zuge dieser Wirkung wird der Einfluss des literarischen Humanismus vor allem im deutschsprachigen Raum auf Musik und Musiktheorie spürbar, wie zuvor in Italien unter Francesco Petrarca (1304−1374), und so wurde Musik auch in Deutschland Teil der humanistischen Erziehung.

https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Agricola_(Humanist)

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Johann Amos Comenius (1592-1670), der kurze Aufenthalte in Görlitz hatte, gilt international als Begründer der neuzeitlichen Pädagogik. Am bekanntesten sind bis heute die Didactica magna und der Orbis sensualium pictus. Doch umfasst sein Gesamtwerk rund 250 Titel. Comenius war auch Theologe, Philosoph, Politiker und – Lexikograf. Sein unvollendet gebliebenes siebenteiliges Hauptwerk (De rerum humanarum emendatione Consultatio catholica) wurde erst im 20. Jahrhundert vollständig entdeckt (Editio princeps Prag 1966). Die Schulen sollten nach seiner Vorstellung humanitatis offi cinae (Werkstätten der Menschlichkeit) sein; über die Bedeutung der lateinischen Sprache und Literatur für Bildung und Völkerverständigung hat sich Comenius an vielen Stellen in lateinischer Sprache geäußert. Latein diente ihm (modern gesprochen) als „Modell von Sprache“. In seinem Werk " Methodus linguarum novissima" findet sich die von Comenius sehr oft zitierte Definition der Schule als einer humanitatis officina, einer „Werkstatt der Menschlichkeit“. In der später (1657) veröffentlichten "Didactica magna" wiederholt er diese Formel und schreibt: „Denn weise hat der gesprochen, der gesagt hat, die Schulen seien Werkstätten der Menschlichkeit [humanitatis officinae], insofern sie nämlich bewirken, daß der Mensch wirklich Mensch wird, d. h. (mit Rücksicht auf die vorher festgestellten Ziele): I. das vernünftige Geschöpf, II. das Geschöpf, das die Geschöpfe (auch sich selbst) beherrscht, III. das Geschöpf, das die Wonne seines Schöpfers ist. Das wird die Folge sein, wenn sich die Schulen anstrengen, die Menschen weise an Verstand, klug zum Handeln und frommen Herzens zu machen.“


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In der Epoche der Aufklärung wurden die Begriffe „Menschenfreundschaft“ und „Menschenliebe“ aufgegriffen. Philosophen erhoben die Menschenliebe zu einem zentralen Bestandteil der Wesensbestimmung des Menschen. Sympathisanten, Vertreter und Förderer der frühen Aufklärung gab es zum Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts an der Leipziger Universität in größerer Zahl. Ein bedeutender Vertreter der deutschen Frühaufklärung in Leipzig und Halle war Christian Thomasius (1655-1782), durch dessen Eintreten für eine humane Strafordnung wesentlich zur Abschaffung der Hexenprozesse und der Folter beigetragen wurde.

In Dessau wurde um 1774 die „Schule der Menschenfreunde“ („Philanthropinum“) gegründet. Der Unterricht am Philanthropinum war lebenspraktisch orientiert und beinhaltete moderne Sprachen und Naturwissenschaften, sowie Sport und handwerkliche Arbeiten, welche erstmals in der deutschen Bildungsgeschichte als Unterrichtsfächer eine tragende Rolle spielten. Für Immanuel Kant ging vom Philanthropinum eine Revolution des Erziehungswesens und sogar eine „Reform des bürgerlichen Wesens“ aus. Es wurde die Schulpflicht und ein Schulgeld­erlass eingeführt, sowie eine Trennung von Schule und Kirche durchgesetzt.

Eduard Spranger erhielt 1911 eine außerordentliche Professur für Philosophie und Pädagogik an der Universität Leipzig und wurde im Jahr 1912 in das Kuratorium der Leipziger Hochschule für Frauen gewählt, an der junge Frauen auf akademischem Niveau zu Kindergärtnerinnen, Fürsorgerinnen und Krankenpflegerinnen herangebildet wurden. Er setzte sich für das humanistische Gymnasium ein und prägte den Begriff Dritter Humanismus. Das Ziel der Bildung sei die innere Formung des Menschen.

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Peter Luder (1430-1472) lehrte um 1426 an Uni Lpz., war Lehrer von Hartmann Schedel.
-> http://www.erfurt-lese.de/index.php?article_id=261 (Luder)
- > http://www.mrfh.de/2220 (Schedel)

Petrus Mosellanus (1493-1524) an Uni, war Lehrer für Georgius Agricola (1494-1555) und Joachim Camerarius d.Ä.
-> https://de.wikipedia.org/wiki/Petrus_Mosellanus
-> http://petrus-mosellanus.de/duits/leven/leven_leipzig.htm
* 1519 hielt Mosellanus die (lateinische) Eröffnungsrede zu der von ihm veranstalteten sogenannten Leipziger Disputation zwischen dem katholischen Theologen Johannes Eck und den Reformatoren um Martin Luther und Andreas Bodenstein

Essay: Scholastik und Humanismus in Leipzig (1409-1539) (pdf)
-> http://www.academia.edu/15332319/Essay_Scholastik_und_Humanismus_in_Leipzig_1409-1539_

"Dunkelmännerbriefe": Die Dunkelmännerbriefe (Epistolae obscurorum virorum) waren eine mit satirischer Absicht verbreitete Reihe gefälschter lateinischer Briefe aus dem Jahr 1515, mit denen deutsche Humanisten die Scholastik ins Lächerliche zogen, die damals an den Universitäten noch weit verbreitet war.
-> https://de.wikipedia.org/wiki/Dunkelm%C3%A4nnerbriefe

Scholastik:
* Gegner der Scholastik:
- Konservative Antidialektiker wie Rupert von Deutz, Gerhoch von Reichersberg und Bernhard von Clairvaux
- Prominente Humanisten wie Petrarca und Erasmus.(jedoch ohne Erfolg)
- erst die empirische Herangehensweise konnte die Scholastik überwinden.
Humanisten mit Bezug zu Leipzig:
Peter Luder: https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Luder
Conrad Celtis: https://de.wikipedia.org/wiki/Conrad_Celtis
Niavis: https://de.wikipedia.org/wiki/Paulus_Niavis
Buschius: https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_von_dem_Busche
Aesticampianus: https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Aesticampianus


Datenbank zu den gedruckten Werken
von Joachim Camerarius d. Ä. (1500-1574):
http://camerarius.uni-wuerzburg.de/

Erasmus über Luther:
"Aus Hass verrückt", "von Gemütskrankheiten befallen" oder "von bösen Geistern besessen"
(Quelle: Otto Ludwig "Genie, Irrsinn und Ruhm") 

- https://de.wikipedia.org/wiki/Artistenfakultät
- https://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Freie_Künste
- https://de.wikipedia.org/wiki/Scholastik

weiterführend:
- "Geschichte der neulateinischen Literatur: Vom Humanismus bis zur Gegenwart" von Martin Korenjak (Vorschau)


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