Die Bedeutung der neuassyrischen Treueeid-Tradition für die Komposition des Gesetzeskorpus des Deuteronomiums wurde nach der Veröffentlichung (1958) von Asarhaddons Vasallenverträgen zur Sicherung des Thronanspruchs erkannt. Von speziellem Interesse ist das Gesetzeskorpus des Deuteronomiums (Kap. 12 – 26). Moshe Weinfeld betonte die unmittelbare literarische Abhängigkeit
der Vertragsflüche in Dtn 28 sowie der Apostasiegesetze in Dtn 13 von Asarhaddons Verträgen. Die Abfolge einer spezifischen Gruppe von Flüchen zum Abschluss des Gesetzes korpus (Dtn 28,27 – 35) kann nur als direkt abgeleitet aus Asarhaddons Vasallenverträgen (VTE §§ 39 – 42: Zeilen 419– 430) verstanden werden. Hautkrankheiten (V 27), Blindheit (V 28f), Verlust der Ehefrau (V 30a), Abhandenkommen der Nachkommenschaft (V 30b.32), Besetzung durch ausländisches Militär (V 33).
Die Anordnung folgt der speziellen Hiearchie des neuassyrischen Pantheons. Die Flüche, die
mit Sin und Schamasch verbunden sind, erscheinen in derselben Reihenfolge in Dtn 28,27– 29.
„Mögen alle Götter … euren Boden wie (aus) Eisen machen! Nichts möge daraus aufgehen! Wie es vom Himmel aus Bronze nicht regnet, so mögen Regen und Tau auf eure Felder und eure Fluren nicht kommen! Statt Regen … möge es Kohlen auf eurer Land regnen!“ (VTE §63, Zeile 526 – §64, Zeile 533)
Die Erkenntnisse von Weinfeld wurden seitdem durch eine Anzahl weiterer Wissenschaftler bestätigt und ausgearbeitet. Die Fähigkeit der syro-palästinischen Schriftgelehrten, mit Keilschrifttexten zu arbeiten, ist in der zweisprachigen Inschrift aus dem 8. Jh. von Tel-Fekherye im nordöstlichen Syrien nachweisbar, wobei sich das Neuassyrische auf der Vorderseite und das Aramäische auf der Rückseite befindet.
Schon im 8. Jh. wurde Ahas (735–715 v.u.Z.) Vasall von Assyrien, unter Hiskia (727/715– 698/687 v.u.Z.) setzte sich dies fort. Die Assyrer ernannten Verwaltungsbeamte, die dem assyrischen Monarchen unterstellt waren und den Treueschwur leisten mussten.
Die Komposition des Deuteronomiums wurde zum Teil durch die Reformbewegungen König Hiskias (2 Kön18,3 – 6; 727/715– 698/687 v.u.Z.) und besonders durch die Ereignisse um König Josias (640– 609 v.u.Z.) Reform (2 Kön 22 – 23) bestimmt. Der historische Hintergrund von Josias Reform war die wachsende Gefahr imperialer Beherrschung. Das Nordreich Israel war schon ein knap-
pes Jahrhundert zuvor unter einer neuassyrischen Invasion zusammengebrochen (722 v.u.Z.; 2 Kön 17). In einem verzweifelten Versuch, die Autonomie der Nation zu erhalten, war Hiskia bereits mit Assyrien einen Pakt eingegangen (2 Kön 18,13 -16).
Asarhaddons Erbfolgevertrag, datiert auf 672 v.u.Z. Damit ist auch ein Hinweis zur Datierung von Dtn 28 gegeben: nach 672 v.u.Z. und vor dem Ende des assyrischen Reichs
I. Deuteronomische Sammlung aus der Hiskia-Zeit (v13-19).
II. Deuteronomische Schule aus der Josia-Zeit (v20-27).
III. Ältere deuteronomistische Schicht aus der Exilszeit (v8-12)
IV. Jüngere deuteronomistische Schicht aus spätexilisch-frühnachexilischer Zeit (v2-7.29-31).
„Kanonformel“ aus Dtn 13,1 (12,32 LXX)
„Das ganze Wort, das ich euch befehle, sollt ihr achten, es auszuführen; du darfst ihm weder etwas hinzufügen noch etwas davon wegnehmen.“
„Ihr sollt weder ändern noch abwandeln das Wort Asarhaddons, des Königs von Assyrien. Aber gehorcht eben jenem […] Assurbanipal, dem designierten großen Kronprinzen […].“ (§ 4, Z. 57 – 60)
Asarhaddon und Assurbanipal werden dabei durch JHWH als Objekt der Forderung nach exklusiver Treue ersetzt. Die ausschließliche Bindung an das "Wort" Asarhaddons wurde zur Treue „dem Wort“ JHWHs transformiert.
Die hebräische Formel hat dieselbe Struktur wie die akkadische Festsetzung, aber in umgekehrter Folge. Die Analogie zwischen den zwei Formeln wird noch deutlicher, wenn man beachtet, dass sowohl im neuassyrischen als auch im deuteronomischen Kontext die Formel jeweils kurz vor weiteren Vertragsfestsetzungen begegnet, die den Adressaten auffordern, Untreue zu melden. Auch hier scheint es sicher, dass die Autoren des Deuteronomiums sich auf die neuassyrische Vorlage
bezogen haben.
Asarhaddons Vertrag fordert, dass die Adressaten sofort jegliche Anstiftung zur Untreue melden. „euren Brüdern, euren Söhnen, euren Töchtern, oder aus dem Mund eines
Propheten, eines Ekstatikers, eines Orakelbefragers“ (§10, Z. 108 – 122).
Diese Festsetzungen finden sich fast wörtlich in den Gesetzen aus Dtn 13 wieder, erneut in
umgekehrter Reihenfolge:
„Falls ein Prophet oder Träumer in eurer Mitte aufstehen sollte
[…]“ (V 2)
„Falls dein Bruder […] oder dein Sohn, oder deine Tochter dich verführen sollte […]“ (V 7)
In allen Fällen kommt die Anfechtung der Loyalität aus der Richtung derer, denen man am meisten vertraut.
Im christlichen Schriftgut wurde die Formel im Epilog der Offenbarung des Johannes bemerkenswert adaptiert:
".... Wenn jemand etwas hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen zufügen, die in diesem Buch geschrieben stehen. Und wenn jemand etwas wegnimmt von den Worten des Buchs dieser Weissagung, so wird Gott ihm seinen Anteil wegnehme
https://www.academia.edu/35763327/Gebot_der_Loyalität_gegenüber_JHWH_als_dem_einen_Gott_in_Deuteronomium_13_1-19_Herder_2016_?swp=rr-rw-wc-444264
https://www.academia.edu/9675403/Die_Geburt_des_Mose._Die_Mose-Figur_als_Gegenentwurf_zur_neuassyrischen_Königsideologie_in_E._Otto_Die_Tora._Studien_zum_Pentateuch_BZAR_9_2009_Harrassowitz_?swp=rr-rw-wc-444264
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