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religiöse Symbolik

Die Weltdarstellungen von Religionen geben positive und negative Aspekte an: die "Welt" und die "Un-Welt" und damit verbunden die "Gegenwelt". Der Bereich des Todes rückt häufig in die Gegenwelt, die gewohnte soziale Ordnung  entspricht der "Welt" und Unwetter, Feinde, Krankheiten usw. gehören zur "Un-Welt". Wenn der Euphrat in Mesopotamien einen normalen Stand hatte, war er Aspekt der "Welt", trug er zu wenig, oder zu viel Wasser, war etwas nicht in Ordnung, es entsprach der "Un-Welt" (womöglich haben böse Dämonen dies veranlasst). Die "Gegenwelt" (Himmel, Paradies, Totenwelt etc.) ist durch andere Daseinsbedingungen charakterisiert, die teils eine Aussicht auf ein schönes Jenseits eröffnen, womit die so formulierte (d.h. sprachlich konstruierte) "Gegenwelt" eine orientierende Wirkung entfalten konnte, welche wiederum das "triste" Diesseits relativiert. Religiöser Kommunikation geht es darum, die Grenzbereiche und Grenzübergänge genauen Bezeichnungen zu unterwerfen, damit sie Orientierung bieten.

Die primäre Leistung von Religion ist, eine "Realität" zu konstruieren, indem sie etwas für Beobachtung bereitstellt, was nicht beobachtbar ist. Das Sinnsystem wird als Sinnform religiös erlebt, wenn ihr Sinn zurück verweist auf die Einheit der Differenz von beobachtbar und unbeobachtbar und dafür eine Form findet. Der (dazu verwendete) Kode projektiert eine andere Art der Unterscheidung, aber eine solche, die erst auf Grund der Realitätsverdoppelung möglich wird und sie in die Einheit einer gespaltenen Weltansicht zurückführt. Derartige Kodes sind z.B. "gut/böse" (vgl. Niklas Luhmann)

Der Mensch wird somit vor die Alternative gestellt, sich entweder auf die jetzige, "verkehrte" Welt zu orientieren (was im religiösen Verständnis in die Irre leitet), oder sich an der nicht erkennbaren, aber durch religiöse Kommunikation vermittelten "Wahrheit" über das "Jenseits" zu orientieren. Was diese "Welt" ist, ergibt sich somit aus dem Kontrast zur "Gegenwelt".
weiterführend: Sinn und Funktion von Religion

Die Figur des "Trickster", der oft als Kulturbringer in den Mythen erscheint, bringt die bekannte Ordnung ins Schwanken und steht oft im Zwischenraum zwischen "Welt" und "Gegenwelt". Er spiegelt die Tatsache wieder, das die Welt in stetigen Wandel ist.
weiterführend: Der "Trickster"


https://de.wikipedia.org/wiki/Trickster


Die sprachliche Darstellung (bspw. durch Mythen) stellt die komplexeste Kodierungsmöglichkeit religiöser Botschaften dar, wobei oft anthropomorphe Analogien auf Aspekte der "Welt" oder "Gegenwelt" hinweisen (bspw. menschliche Geschlechtsorgane als Symbol für landwirtschaftliche Fruchtbarkeit), wie wir sie auch aus der bildhaften Symbolik (Götter mit Phallus) kennen. Der Syntax religiöser Botschaften erfordert einer Transformationsleistung, entspricht also auch bei religiösen Texten nicht zwangsläufig der wortwörtlichen Deutung. Die grundlegende Strukturierung in der Konstruktion eines Symbolssystems ist häufig binär (gut/böse, Diesseits/Jenseits), kann aber auch triadisch (gut-normal-böse, Anfang-Erhaltung-Ende [Brahma-Vishnu-Shiva]) sein.

Beispiel: Symbol des christlichen Fisches:
Iesus Christos theon yios soter (Jesus Christus, Gottes Sohn, Heiland)
-> Ichthys = "Fisch"

Beispiel: christliche Trinität:
Gott Vater = Schöpfer, entspricht der grundlegenden Ordnung
Jesus Sohn = Erlöser, löst die Diskrepanz zwischen der Bestimmung der Menschen und ihren Verfehlungen
Heiliger Geist = Bote, macht die Schöpfung und Erlösung für den Gläubigen erfahrbar

Durch die Kodifizierung der umgebenden Dinge und ihrer Probleme, der "Welt" und der "Un-Welt", sowie der "Gegenwelt" dem gegenüber, werden Werte konstruiert, welche die Wahrnehmung und das Handeln leiten.



Quellen:
- Fritz Stolz: "Grundzüge der Religionswissenschaft"
- Niklas Luhmann: "Die Religion der Gesellschaft"

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