These: die abrahamitischen Religionen brauchen in einer pluralistischen Gesellschaft auf Grund ihrer "mosaischen Unterscheidung"(1) den säkularen Staat als übergeordnete Macht um sich nicht zu radikalisieren.
Die abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam) haben zwar sehr ähnliche Wurzeln, sind sich aber von jeweiligen Glaubens-Dogma her feindlich gesinnt. Erst nach dem Holocaust vermeiden Christen es, die Juden als "Gottesmörder" zu diffamieren, umgedreht vermieden es nun auch die Juden den Jesus als "Hurensohn" zu bezeichnen. Auch die Errichtung des jüdischen Nationalstaates führte zu einer Annäherung und Verbündung, zumal der christliche Antisemitismus (vgl. Luther usw.) durch die Säkularisation immer mehr zurück gedrängt wurde, der islamische Hass auf Juden in Europa derzeit aber aufflammt. Auf der anderen Seite aber werfen Juden und Muslime den Christen vor, nicht nur an den einen Gott zu glauben, das Beschneidungsgebot nicht einzuhalten und Schweinefleisch zu essen. Der Streit ist also schon ganz tief durch die jeweils "heiligen" Schriften manifestiert.
Die drei abrahamitischen Religionen können daher nicht als Erfinder und Verteidiger der Menschenrechte gepriesen werden, das gleiche gilt für Toleranz. Wenngleich die "heiligen" Schriften auch Toleranz gebieten, steht über allen das 1. Gebot und die damit verbundene Glaubens-Notwendigkeit, jeglichen anderen Glauben als "falsch" und somit "gefährlich" ansehen zu müssen, sowie den Unglaube als "Bedrohung" anzusehen.
Ohne äußere Feinde also werden sich die "Kinder Abrahams" schnell selbst zum Feind, denn der Streit um die Auserwähltheit und "größte Liebe Gottes" wird durch die Schriften und damit verbundene Glaubensauslegungen tradiert und über Generationen hinweg weitergetragen. Mit ihren inneren Zuständen waren alle drei Religionen oftmals nicht zufrieden und versuchten sich dadurch immer wieder aufs Neue auf ihre Ursprünge zu besinnen, jedoch nicht, indem sie sich intolerantes Verhalten einstanden, sondern indem sie ein Nachlassen des Glaubenseifer propagier(t)en.
Den Andersglaubenden von seinem "falschen Glaube zu erlösen und ihn in die Gemeinschaft der Rechtgläubigen zu bringen" ist der Anspruch, den die heiligen Schriften den Gläubigen auferlegen und somit die Intoleranz prägen. Jeder Monotheist ist auch immer Missionar, denn der Glaube an den Dekalog lässt ihm keine andere Wahl. Der "Falschgläubige" muss zur Bekehrung überzeugt werden, sonst kommt der "Rechtgläubige" nicht zur Ruhe, denn der "falsche" oder auch nur "falsch ausgelegte" Glaube ist der Blasphemie gleich.
Dennoch verbünden sich die "Schriftbesitzer" gegen die "schriftlosen Religionen" (also gegen den Polytheismus, dessen Schriften von Monotheisten nicht als göttliche Offenbarungen verstanden werden), ebenso wie gegen säkulare Bestrebungen und Nichtgläubige, da das 1. Gebot wenigstens dahingehend die abrahamitischen Religionen verbündet. Um sich also nicht selbst an die Gurgel zu springen, braucht es einen äußeren Feind.
Dennoch verbünden sich die "Schriftbesitzer" gegen die "schriftlosen Religionen" (also gegen den Polytheismus, dessen Schriften von Monotheisten nicht als göttliche Offenbarungen verstanden werden), ebenso wie gegen säkulare Bestrebungen und Nichtgläubige, da das 1. Gebot wenigstens dahingehend die abrahamitischen Religionen verbündet. Um sich also nicht selbst an die Gurgel zu springen, braucht es einen äußeren Feind.
Die jeweiligen Alleinwahrheitsansprüche führen darüber hinaus zu einer Unterscheidung von Innen- und Außenmoral, also zu einem "moralischen Dualismus", in dem den Eigenen mit Moral begegnet wird und den Anderen oft mit Gewalt.
Nur übergeordnete Mächte können deswegen "Zeloten" (religiöse Eiferer, Fanatiker) vom gegenseitigen Zerfleischen abhalten. In der Grabeskirche von Jerusalem, wo griechisch Orthodoxe, römisch-katholische Franziskaner, die armenische apostolische Kirche, die syrisch Orthodoxen, die Kopten und Äthiopier unter (oder auf) einem Dach miteinander auskommen müssen, braucht es daher Fremdgläubige (in dem Fall eine muslimische Familie) die die Schlüsselgewalt über das Gebäude besitzt und somit den Frieden garantiert. Fremdgläubige werden hier also zum Garant für Toleranz und Menschenrechte, weil nur sie die konkurrierenden Eiferer abhalten können, gewalttätig zu werden.
Ebenso brauchen die religiös-eifernden Gruppen den übergeordneten Staat, den sie in der Regel als weltlich und teuflisch abtun, zum Überleben, da sie den gesellschaftlichen Raum mit ihren Todfeinden und Beleidigern teilen müssen. Somit kann und muss allein der ungläubige Staat den Unglauben tolerieren, denn dem Gläubigen selbst ist dies kaum möglich. Vor einem Wiederaufflackern von Religionskriegen bewahrt uns somit weder die eine, noch die andere Religion und schon gar nicht der immer brüchiger werdende Glaube, sondern allein die staatliche Ordnung, die dem Glaubenseiferer Schranken setzt. Religionen sind somit auch nicht Erfinder von Toleranz, sondern nur Nutznießer dieser.
Bedenklich daher, das der deutsche Staat trotz seines gesetzlichen Neutralitätsgebotes den abrahamitischen Religionen hofiert. In Fragen der "Zukunft des Staates" werden zwar Vertreter der drei abrahamitischen Religionen geladen, aber Buddhisten, Hindus, Daoisten, Hare Krishnas, Nichtgläubigen und anderen, nicht im abrahamitischen Kontext denkenden und glaubenden Menschen wird kaum Mitspracherecht zugestanden, auch die staatlichen Subventionen fördern die abrahamitischen Religionen in deutlich höherem Maße als andere hier vertretene Religionen und Weltanschauungen. Womöglich ein Grund dafür, das die religiösen Eiferer wieder zunehmen. (Abtreibungs- und Sterbebeihilfegegner, Homophobie, Missgunst der Ehe für alle usw.)
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(1) - Mit der "Mosaischer Unterscheidung" bezeichnet der Religions- und Kulturwissenschaftler Jan Assmann nicht nur die durch das Judentum aufgekommene Unterscheidung zwischen dem Einen Gott und den vielen Göttern, sondern auch die ideologische Schranke zwischen wahr und falsch in den (vornehmlich) abrahamitischen Religion. Es geht also um die Unterscheidung zwischen dem wahren Gott und den falschen Gott oder Göttern, der wahren Lehre und den Irrlehren und spiegelt dabei den jeweiligen Alleinwahrheitsanspruch, der insbesondere im abrahamitisch-monotheistischen Umfeld "inhärent und intrinsisch" (2) verankert ist, wieder.
Wenngleich "Moses" nicht unbedingt für eine Unterscheidung von "falsch" und "wahr" stand, geht es uns hier nur um die Glaubens-Unterscheidung "wahr/falsch" selbst.
(2) - "inhärent" = einer Sache innewohnend, "intrinsisch" = durch in der Sache liegende Anreize bedingt
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Hauptquelle: Bernhard Streck: "Kann man Unglaube tolerieren?"
weiteres:
- http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/3826/1/Assmann_Mose_und_der_Monotheismus_2015.pdf
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