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wissenschaftliche Methode

"Die Tatsache, dass die Realwissenschaften keine übernatürlichen (...) Faktoren akzeptieren, ist weder Ausdruck einer aprorischen Verneinung der Existenz derartiger Instanzen, noch das Symptom einer dogmatischen Verkrustung der Wissenschaft. sondern schlichtweg Ausdruck methodologischer Notwendigkeit.Wer dies nicht akzeptiert, verlässt automatisch den Bereich wissenschaftlich evaluierbarer Aussagen." (Martin Neukamm)

Wissenschaftliches Arbeiten beschreibt ein methodisch-systematisches Vorgehen, bei dem die Ergebnisse der Arbeit für jeden objektiv nachvollziehbar oder wiederholbar sind. Das bedeutet, Informationsquellen werden offen gelegt (zitiert) und Experimente so beschrieben, dass sie reproduziert werden können. Wer eine wissenschaftliche Arbeit liest, kann stets erkennen, auf Grundlage welcher Fakten und Beweise der Autor zu seinen Schlussfolgerungen gelangt ist, auf welche Forschungsergebnisse anderer Wissenschaftler er sich beruft (Zitation) und welche (neuen) Aspekte von ihm sind.
Unser Erkenntnisapparat ist ein Ergebnis der Evolution. Die subjektiven Erkenntnisstrukturen passen auf die Welt, weil sie sich im Laufe der Evolution in Anpassung an diese reale Welt herausgebildet haben. Und sie stimmen mit den realen Strukturen (teilweise) überein, weil nur eine solche Übereinstimmung das Überleben ermöglichte. (Gerhard Vollmer 1998)
Die kognitive Entwicklung des Menschens führt zu neuen Erkenntnisfähigkeiten und Erkenntnisinhalten. Die kognitiven Strukturen sind dabei Träger und Motor der kognitiven Evolution, wodurch diese auch als "Strukturgenese" bezeichnet werden kann. Es beschreibt den Vorgang, bei dem kognitive Strukturen neue kognitive Strukturen bilden.

Warum werden wissenschaftliche Erkenntnisse als "Theorie" bezeichnet?:
> Der Fallibilismus (vom Latenischen fallibilis, "verpflichtet zu irren") ist eine erkenntnistheoretische Position, nach der es keine absolute Gewissheit geben kann und sich Irrtümer niemals ausschließen lassen. Eine Strategie der Begründung oder Rechtfertigung mit dem obersten Ziel, eine Letztbegründung zu geben, kann niemals zum Erfolg führen. Daher verbleibt nur, Überzeugungen, Meinungen oder Hypothesen immer wieder auf Irrtümer hin zu überprüfen und nach Möglichkeit durch bessere zu ersetzen.

Wie erzeugt die wissenschaftliche Herangehensweise objektive Erkenntnis?:
> Der Kritische Rationalismus setzt sich mit der Frage auseinander, wie wissenschaftliche oder gesellschaftliche (aber prinzipiell auch alltägliche) Probleme undogmatisch, planmäßig (‚methodisch‘) und vernünftig (‚rational‘) untersucht und geklärt werden können. Dabei sucht er nach einem Ausweg aus der Wahl zwischen Wissenschaftsgläubigkeit (Szientismus) und der Auffassung, dass wissenschaftliches Wissen auf positiven Befunden aufbauen muss (Positivismus) auf der einen Seite, sowie andererseits dem Standpunkt, dass Wahrheit vom Blickwinkel abhängig ist (Relativismus) und dass Wissen der Willkür preisgegeben ist, wenn Beweise unmöglich sind (Wahrheitsskeptizismus).

Der Falsifikationismus, selten Kritischer Empirismus, ist die ursprünglich von Karl R. Popper entwickelte Wissenschaftstheorie des Kritischen Rationalismus. Er schlägt mit dem Abgrenzungskriterium der Falsifizierbarkeit und der Methode der Falsifikation Lösungen zum Abgrenzungsproblem und zum Induktionsproblem vor, das heißt zu den Fragen, wo die Grenzen der empirischen Forschung liegen und welche Methoden sie anwenden sollte.
Sind alle Schwäne weiß? Die klassische Sicht der Wissenschaftstheorie war, dass es Aufgabe der Wissenschaft ist, solche Hypothesen zu „beweisen“ oder aus Beobachtungsdaten herzuleiten. Das erscheint jedoch schwer möglich, da dazu von Einzelfällen auf eine allgemeine Regel geschlossen werden müsste, was logisch nicht zulässig ist. Doch ein einziger schwarzer Schwan erlaubt den logischen Schluss, dass die Aussage, alle Schwäne seien weiß, falsch ist. Der Falsifikationismus strebt somit nach einem Hinterfragen, einer Falsifizierung von Hypothesen, statt nach dem Versuch eines Beweises.

Verifizierung oder Verifikation (von lat. veritas ‚Wahrheit‘ und facere ‚machen‘) ist der Nachweis, dass ein vermuteter oder behaupteter Sachverhalt wahr ist. Der Begriff wird unterschiedlich gebraucht, je nachdem, ob man sich bei der Wahrheitsfindung nur auf einen geführten Beweis stützen mag oder aber auch die in der Praxis leichter realisierbare bestätigende Überprüfung und Beglaubigung des Sachverhaltes durch Argumente einer unabhängigen Instanz als Verifizierung betrachtet.

Wie erkennt man, ob eine Aussage den Kriterien wissenschaftlicher Herangehensweise entspricht?:
> Zum Beispiel durch ein Peer-Review (englisch für Begutachtung durch Ebenbürtige, seltener: Kreuzgutachten), welches ein Verfahren im Wissenschaftsbetrieb zur Beurteilung wissenschaftlicher Arbeiten, insbesondere von Publikationen ist. Dabei werden unabhängige Gutachter (englisch peer für Ebenbürtiger, Gleichrangige oder auch referee für Schiedsrichter) aus dem gleichen Fachgebiet wie die Autoren herangezogen, um die Qualität zu beurteilen.

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Wie kam es zu dieser wissenschaftlichen Herangehensweise?:> Plato (der antike Grieche) bezeichnete das, was wir heute "Abstracta" nennen, als "eidoi", was soviel heißt, wie Urbilder Ideen), die für ihn schon vor den Dingen existierten.Aristoteles lehrte, das die "Abstracta" nicht für sich allein existieren, sondern sich in den Dingen befinden, aus denen sie abstrahiert werden, sowie sie sich gleichartig in unseren Köpfen befinden.Durch die mittelalterliche Reflexion dieser antiken Gedanken kam der "Universalienstreit" auf, mit samt der Frage, ob die Auffassung Plato´s oder Aristoteles nun die Richtige sei. Die Kirchenlehrer gaben Plato den Vorzug.

Doch der Franziskaner Wilhelm von Ockham (ca. 1280 - 1347) schlug als Kompromiss eine Zweigleisigkeit vor: Plato für die Erklärung der "Übernatur" und Aristoteles für die Erklärung der (damals minderwertig betrachteten) Natur.
Dies erlaubte den Theologen weiterhin ihre archaische Ansicht zu erhalten, gab damit aber den späteren, um Empirie bemühten Wissenschaftlern freie Bahn für die Erforschung von Natur (und Kultur).
Da Ockham die Auffassung Aristoteles für die Erforschung des "Diesseits" zugelassen hatte, musste das Denken nun nicht mehr nur um die ewig gleichen - in einem Ideenhimmel befindlichen - "Geist-Dinge" kreisen.
Auch die Muslime haben durch die Mutaziliten versucht, die Gedanken Aristoteles in ihre Religion zu integrieren, wurden aber schon im 11. Jhr. von der Mehrheit der Ulemas unterdrückt.

Als zu Beginn der Neuzeit empirische Wissenschaften entstanden - und den archaischen Wissenschaftstyp, die Theologie, ablösten - entstand das Postulat des methodischen Positivismus. Hierbei war es notwendig, sich strikt an diesen Ansatz der Ideologie des methodischen Positivismus zu halten, um sich den vorher (archaisch) ausgiebig geübten "Wissenszuwachs" durch Fantasieren abzugewöhnen. In der archaischen Zeit fehlten jedoch die kognitiven Mittel für eine empirisch-wissenschaftliche Erklärung. Der methodische Positivismus ermöglichte das Vordringen hinter die Fassade des Augenscheins und führte zu einer Entmythisierung der Natur und Kulturgeschichte (und bewirkte damit die Aufklärungszeit). Jedoch war der ontologische Reduktionismus, der meint, der menschliche Geist lasse sich mit der Zeit auf die Gesetze von Physik und Chemie zurückzuführen, nicht von Dauer, doch löste diese subjektivistische Ethik einen Werteverfall aus.

Durch den Nachweis des Zentriertseins der Psyche im Unterbewusstsein (> C.G.Jung) wurde sowohl das archaische, als auch das positivistische Weltbild relativiert.
Jung hatte nachgewiesen, das Mythen die Gestaltungen des Unterbewusstseins sind. Zudem hat die religionswissenschaftliche Forschung aufgezeigt, das religiöse Mythen (das Glaubensgut der Religionen) zur Hauptsache aus (trügerischen) Visionen und zum Teil aus (früher ebenfalls als göttliche Offenbarungen verstandenen) Träumen hervor gegangen sind. Gegenüber dem positivistischen Weltbild ergab das Neue, das nicht das "Ich" Quelle ethischer Normen ist, sondern das "Selbst" (Unterbewusstsein), womit ethische Normen durch Optimierung des Strebungen des Ichs mit denen des Selbst zustande kommen. Dadurch wurde die subjektivistische Ethik des Positivismus überwunden, denn per nun entstandener Definition gehört das Unbewusste zum Nicht-Ich, d.h. zur objektiven Wirklichkeit.
Hier setzt nun der Kritische Rationalismus Popper´s ein.
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Quellen:
Willy Obrist: "Die Mutation des europäischen Bewusstseins: Von der mythischen zur heutigen Weltsicht und Spiritualität"

Thomas Bernhard Seiler: "Die Evolution der kognitiven Strukturen nach der genetischen Erkenntnistheorie und nach der Strukturgenese"

Niklas Luhmann: "Die Religion der Gesellschaft"

Gerhard Vollmer: "Evolutionäre Erkenntnistheorie"

Immanuel Kant: "Kritik der reinen Vernunft"

Karl R. Popper: "Logik der Forschung"

Hans Albert: "Traktat über kritische Vernunft"


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zum angeblichen Zitat von Werner Heisenberg, welches eine Fälschung ist:"Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch; aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott.“

Ich habe Heisenberg gut gekannt und habe mit ihm als Journalist über den Glauben gesprochen. Der Spruch, der Werner Heisenberg (1901-1976) zugeschrieben wird, ist eine fromme Fälschung, die den berühmten Physiker zum Glaubenszeugen machen soll. Er hat aber weder so gedacht noch so ausgeprägt bildhaft formuliert. Ein religiöses Bekenntnis war ihm fremd, wenn er mal auf Fragen der Religion eingegangen ist, etwa in seinen populären Büchern „Der Teil und das Ganze“ (S. 131 ff) und „Schritte über Grenzen“ (S. 335 ff). Der Journalist Eike Christian Hirsch hat ihn 1971 zur religiösen Frage interviewt und das Ergebnis in seinem Buch „Expedition in die Glaubenswelt“ (S. 47 ff) wiedergegeben. Heisenberg konnte als ein mögliches Gegenüber in der Natur allenfalls eine Ordnung erkennen, im übrigen sprach er nur taktvoll und tolerant von der Religion. Seine Kinder weisen das Zitat zurück (etwa Dr. Maria Hirsch, Feldafing, Prof. Dr. Martin Heisenberg, Würzburg), weil sie darin ihren Vater nicht erkennen können.

Das Zitat, das ihm zugeschrieben wird, könnte von einem Fundamentalisten in den USA stammen, der eine Stütze des Glaubens fingieren wollte. Der Gedanke stammt jedenfalls aus der englischen Tradition, er findet sich zuerst in den „Essays Of Atheism“ von Francis Bacon (1601) und lautet: „A little philosophy inclineth man’s mind to atheism; but depth in philosophy bringeth men’s minds about to religion.“

Der Gedanke taucht wieder in Alexander Popes „An Essay on Criticism“ (1709) auf und wird dort um das Bild vom Trinken bereichert: „A little learning is a dangerous thing; drink deep, or taste not the Pierian spring: �there shallow draughts intoxicate the brain, and drinking largely sobers us again.“ Mit „Pierian spring“ ist eine Weisheitsquelle aus der griechischen Mythologie gemeint.

Die ersten Worte werden bis heute als englisches Sprichwort zitiert, wobei jedoch aus „learning“ ein „knowledge“ wurde: “A little knowledge is a dangerous thing“. Dass die Fälschung aus dem Englischen stammt, zeigt sich auch daran, dass sie auf Deutsch in abweichenden Übersetzungen kursiert. Einen Fundort zu diesem weit verbreiteten, angeblichen Zitat hat noch niemand angeben können.

Wenn nötig, bin ich bereit, weitere Nachweise zu erbringen.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Eike Christian Hirsch, Hannover [22. Juni 2015, 14:30]

https://de.wikiquote.org/wiki/Diskussion:Werner_Heisenberg#auf_dem_Grund_des_Bechers_wartet_Gott

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